Nonne – Beruf oder Berufung?

Nonne – Beruf oder Berufung?

Wenige Menschen wählen das Leben als Nonne oder Mönch in einer christlichen Gemeinschaft. Ganz nach dem Thema “Beruft euch!” hat exPRESS einen Blick hinter die Klostermauern der evangelischen Communität Christusbruderschaft im Kloster Wülfinghausen geworfen, um euch das Leben einer Ordensschwester vorzustellen. Das Kloster gehört zum Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds und wird von der Klosterkammer Hannover verwaltet. Schwester Susanne Schmitt lebt und arbeitet mit sechs weiteren Schwestern im Kloster Wülfinghausen.

Interview geführt und Artikel geschrieben von der ehemaligen Auszubildenden Kristina Rutz, exPRESS-Ausgabe 3/2007

exPRESS: Warum haben Sie sich dafür entschieden, als Nonne beziehungsweise Ordensschwester zu leben?

Schwester Susanne: Der Wunsch, Ordensschwester zu werden, war nicht nur eine persönliche Entscheidung, sondern ich habe es auch als einen Anruf von Gott erlebt. Ich hatte die Sehnsucht nach mehr Leben und nach Gott. Ich wollte mich stärker innerhalb der Kirche engagieren, nicht nur ehrenamtlich. Mein Leben und mein “Beruf” sind eine Antwort auf diesen Ruf Gottes.

exPRESS: Wie lange sind Sie schon Ordensschwester?

Schwester Susanne: Seit zehn Jahren.

exPRESS: Was ist für Sie der besondere Reiz Ihrer Arbeit?

Schwester Susanne: Ich empfinde es als besondere Herausforderung, dass sich Privatleben und Arbeit nicht klar abgrenzen lassen. Man arbeitet und lebt im Kloster, alles geht Hand in Hand. Den ganzen Tag verbringt man mit den gleichen Menschen, sowohl bei der Arbeit als auch im privaten Bereich. Insbesondere wenn untereinander Spannungen bestehen, stellt dies eine besondere Situation dar. Es bereitet mir Freude, unterschiedliche Menschen gastfreundlich aufzunehmen und sie kennenzulernen. Unser Arbeitsleben wird durch regelmäßiges Gebet unterbrochen. Wir leben nach der klassischen Ordensregel “ora et labora” – bete und arbeite. Am Montag ist “Wüstentag”. An diesem Tag gibt es keine festen gemeinsamen Gebetszeiten. Da der Tag der Regeneration dient, müssen wir nicht permanent verfügbar sein. Wenn ich Urlaub habe, darf ich übrigens auch zivil gekleidet sein.

exPRESS: Gibt es bestimmte Regeln, die man als Ordensschwester zu beachten hat?

Schwester Susanne: Der Alltag gliedert sich in verschiedene Gebetszeiten, die unsere Tätigkeiten unterbrechen. Um acht Uhr ist das Morgengebet, um zwölf Uhr das Mittagsgebet und um 18 Uhr das Abendgebet. Auch ist es unsere Pflicht, an den Arbeitstagen unsere Tracht zu tragen. Ein Regelkatalog ordnet das gemeinsame Zusammenleben und lässt genug Raum für eine eigenverantwortliche Gestaltung des Tages. Unsere Gemeinschaft besteht aus sieben Schwestern. Jede von uns erfüllt zum Beispiel eine festgelegte Tätigkeit.

exPRESS: Wo leben Nonnen?

Schwester Susanne: Das kann sehr unterschiedlich sein. Manche leben in der Stadt in einer Wohnung, wir leben als Gemeinschaft im Kloster. Jede von uns hat ein eigenes Zimmer. Die Zimmer sind einfach eingerichtet und können von uns individuell gestaltet werden. Ess- und Wohnzimmer nutzen wir gemeinsam. Für die Schreibtischarbeit gibt es Büroräume. Unsere Zimmer sind schlicht gehalten und mit dem Nötigsten möbliert.

exPRESS: Welche Besonderheiten weist der Beruf der Ordensschwester auf?

Schwester Susanne: Ordensschwestern leben zusammen und haben Gütergemeinschaft. Das heißt, alle Einnahmen fließen in einen Topf, beziehungsweise auf ein Konto. Wenn eine von uns etwas braucht, bezahlt sie es aus der Gemeinschaftskasse. Große Anschaffungen besprechen wir gemeinsam. Für kleinere Dinge steht jedem ein Handgeld zu. Wenn Geld aus der Kasse entnommen wurde, schreiben wir den Betrag und den Verwendungszweck auf.

exPRESS: Was sollten Personen mitbringen, die ein Leben als Ordensschwester führen möchten?

Schwester Susanne: Um als Ordensschwester zu leben, muss man mindestens 18 Jahre alt sein und eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Zudem sollte man physisch und psychisch stabil sein.

exPRESS: Wie wird man Ordensschwester?

Schwester Susanne: Es gibt keinen bestimmten Weg wie jemand Nonne wird. Viele Leute kommen durch das “Kloster auf Zeit” das erste Mal mit dem Leben im Kloster in Kontakt. Menschen, die auf Zeit im Kloster leben, teilen mit uns unseren Alttag und nutzen diese Zeit als Auszeit von ihrem bisherigen Leben.

exPRESS: Wie lange dauert die Berufsausbildung zur Ordensschwester?

Schwester Susanne: Ordensschwester ist keine Berufsausbildung, wie man sie von anderen Berufen kennt. Es ist wohl eher eine Berufung. Der Weg bis zur Ordensschwester gliedert sich in verschiedene Stufen und dauert ungefähr acht Jahre. Es ist vielmehr ein Prozess, bei dem die Person langsam das gemeinschaftliche Leben und Arbeiten im Kloster kennengelernt und Schritt für Schritt eingegliedert wird. So geht man in der ersten Zeit noch keine lebenslange Bindung ein und hat jederzeit die Möglichkeit, seine Meinung zu ändern und zu gehen.

Der erste Schritt ins Klosterleben ist das Postulat, eine Art Probezeit. Du lebst ein Jahr mit den anderen Nonnen im Kloster und teilst ihren Tagesablauf. Postulantinnen tragen noch keine Tracht und können jederzeit gehen. Sie können feststellen, ob das Leben als Nonne ihre Berufung und somit der richtige Weg für sie ist. Es finden regelmäßige Gespräche mit Schwestern statt. Danach folgt das zweijährige Noviziat. Als Novizin bekommst du erstmals eine Tracht und nimmst voll am Klosterleben teil. Novizinnen werden mit den Klosterregeln vertraut gemacht und erhalten Unterricht. Sie lernen unter anderem Bibelauslegung, Liturgie, Bibelkunde und Ordensgeschichte, um nur einiges zu nennen.

Nach dem Noviziat erfolgt die zeitliche Profess für circa fünf Jahre. In dieser Zeit prüft die angehende Schwester nochmal ihren Wunsch nach Klosterleben und ihre Eignung. Am Ende erfolgt die Profess auf Lebenszeit. Die Profess ist ein Ordensgelübde, bei dem die Novizin ein Versprechen abgibt, nach den Grundprinzipien des Evangeliums zu leben und die Regeln der Ordensgemeinschaft zu befolgen.

exPRESS: Was würden Sie jungen Leuten mit auf den Weg geben, die den Beruf der Nonne erlernen möchten?

Schwester Susanne: Das Leben als Ordensschwester ist ja kein Beruf im eigentlichen Sinn, sondern eine Lebenshaltung, ein persönlicher Weg. Jeder muss es für sich herausfinden, ob dies eine Lebensform ist, die man für sich wählen möchte.

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