r/Place ein Internetphänomen auf Reddit
Das Internet ist für viele Eigenheiten bekannt. Selten kann man diese so ausgeprägt erleben und ihre Entstehung nachvollziehen wie bei Events auf Reddit. Und das vor allem in r/Place.
Zum besseren Verständnis sollte man die Seite Reddit selbst ein bisschen kennenlernen. Bei Reddit handelt es sich grob gesagt, um eine Website, in der Menschen ihre Beiträge posten und andere damit interagieren. Die Seite ist in Unterseiten für Themen aufgeteilt, sogenannte Subreddits. So gut wie jede Person findet dort ein Subreddit (Themenbereich) für die eigenen Interessen. Serien, Filme, Technik, Tiere usw. die Themenvielfalt ist nahezu grenzenlos. Die Reddit–Community hat einen sehr eigenen Humor, der auch mal unter die Gürtellinie geht. Damit dies sich jedoch in Maßen hält, werden die Subreddits moderiert.
Viele Spiele oder Firmen machen besondere Aktionen zum 1. April jedes Jahr. Reddit ist hier keine Ausnahme und begann am 1. April 2015 mit dem r/thebutton-Event. In diesem gab es einen Button auf der Seite mit einem Countdown von 60 Sekunden. Jede/r Nutzer/-in kann diesen nur einmal drücken und so den Timer wieder auf 60 Sekunden stellen. Je nachdem, wie viel Zeit noch übrig war, als der Knopf gedrückt wurde, hatten die Nutzer/-innen verschiedene Farbkreise neben ihren Namen. Nur allein dadurch bildeten sich verschiedene Gruppierungen mit ihren eigenen Memes und „Philosophien“, was der Zeitpunkt des Drückens über einen selbst aussagen würde. Zwei Jahre später gab es das erste Mal r/Place. Das mittlerweile bekannteste und erfolgreichste Event von Reddit. Danach folgten noch weitere Reddit–Events, jedoch erreichte keines im Ansatz die Beliebtheit von r/Place.
R/Place
Bei r/ Place waren die Regeln ebenso simpel. Alle Nutzer/-innen können jeweils einen Pixel in verschiedenen Farben auf einer Leinwand setzen. Nach fünf Minuten kann der nächste Pixel gesetzt werden. Entweder an der gleichen Stelle den Pixel erneuern oder in einer anderen Farbe an einem anderen Ort gesetzt werden. Mit dieser einfachen Idee war der künstlerischen Kreativität kaum eine Grenze gesetzt. So fanden die ersten Pixel ihren Weg auf die Leinwand. Nach und nach ergaben diese dann schon erste Bilder. Allein konnte man so gut wie kein Bild fertigstellen. Deswegen fingen die ersten Communities an, eigene Subreddits hierfür zu eröffnen, sich auf Motive zu einigen und diese dann auf den Canvas zu bringen. Neben den Communities von Serien und Spielen wie One Piece oder OSU, gab es viele, die sich nach ihrer Nationalität zusammengefunden haben.
Das Event ging ganze vier Tage und brachte mit jedem Tag eine Erweiterung der Leinwand mit sich und somit immer wieder neuen Platz für Kunstwerke. Doch merkte man an den Tagen drei und vier erste Ermüdungserscheinungen. Im Gegensatz zum ersten Jahr, an dem am Ende keine Pixel mehr gesetzt werden konnten, gab es zum Schluss nur noch die Möglichkeit, weiße Pixel zu setzten. Viele wollten das Gesamtkunstwerk als Ganzes erhalten, jedoch konnten es einige nicht lassen und fingen an, alles wieder weiß zu färben. Das Internet halt. Und so endete das Event und der Canvas sah so wie am ersten Tag aus.
Der Pixelkrieg beginnt
In r/Place pixelten die meisten Nationen die eigene Flagge auf die Leinwand und verschönerten diese mit verschiedensten Motiven, die auf eben dieser ihren Platz fanden. Die Deutschen waren hierbei eine der größten Gruppen. Und wie man das so klischeehaft kennt, mussten diese es mit der Organisation etwas übertreiben. Es wurde erst mal ein Organigramm für die Community erstellt, einen Ablauf der Motivabstimmung ins Leben gerufen und das Festlegen, wer welchen Pixel verteidigt. Motive mussten „offiziell“ eingereicht werden und nach dem Beschluss der Umsetzung wurden diese auch effizient und pixelgenau auf die Leinwand gebracht. Als Teil der deutschen „Organisation“ gab es dann auch eine sogenannte Nachtwache, angelehnt an die gleichnamige Gruppe aus dem Game of Thrones Universum. Die Nachtwache sollte die Flagge und die Kunstwerke darauf über die Nacht dieser Zeitzone verteidigen, während die meisten anderen schliefen.
Denn die Leinwand war durch den Cooldown der Pixel in stetigem Wandel. Immer wieder versuchen Gruppen ihre Bilder zu verewigen und verdrängen hierbei die von anderen. Generell gab es durch Reddit und Discord koordinierte Parteien, die zusammen auf der Leinwand agierten. So gab es auch „Diplomaten“ zwischen den Gruppen, die verhandelten, um mit anderen zu kommunizieren und sich nicht gegenseitig zu bekämpfen. An den Schnittstellen machten viele dann kleine Herzchen als Zeichen der Kooperation. Diese konnten auch kreativer ausfallen wie an der deutsch-belgischen Schnittstelle. Hier war auf der deutschen Flagge der Bundesadler abgebildet und auf der belgischen Flagge ein belgisches Bier, welches genau in den Mund des Adlers floss und ihm immer größer werdende Muskeln gab.
Andere Frakionen
Eine große Rolle spielten auch Streamer auf Twitch. Mit Zuschauerzahlen von teilweise über 10.000 konnten Streamer einen großen Einfluss auf das Event nehmen. Doch meistens hielten diese Werke nur so lange wie gestreamt wurde und verschwanden danach gleich wieder. Jedoch gibt es neben denen, die gezielt ihre Pixel zum Erschaffen von Werken setzten, auch andere, die einfach nur Chaos verbreiten möchten. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Leere (das Void). Einem sich immer weiter ausbreitendem Bereich, der nur aus schwarzen Pixeln bestand und versucht, alles andere zu zerstören.
Außerhalb des Netzes
Die r/Place-Events wurden von Mal zu Mal im Internet immer bekannter und immer beliebter. Doch nicht nur innerhalb des Netzes war das Event Thema. Es gab Newssendungen in verschiedenen Ländern, die über r/Place berichteten. In einem Jahr gab es sogar einen französischen Präsidentschaftskandidaten, der sich am Event beteiligte und über Twitter dies für seinen Wahlkampf nutzte. Es schlug also Wellen über da Internet hinaus.
Ich habe nur an der Oberfläche gekratzt, wie viel Unterhaltung r/Place bietet. Zwei deutscher Youtube-Kanäle veröffentlichten im Nachhinein Videos über die kompletten Events und fassten die Geschehnisse und ihre Erfahrungen währenddessen spannend und unterhaltsam zusammen. Die Videos von Rvnx Mango und Jules kann ich nur empfehlen.
