Deutsche Geschichte mal anders

Deutsche Geschichte mal anders

“Die Nacht von Lissabon” – ergreifende Geschichte zum Nationalsozialismus

„Was ist ein Kugel-Dasein?“
„Meines. Eines, das nirgendwo bleiben kann; das sich nie ansiedeln darf; immer im Rollen bleiben muss. Das Dasein des Emigranten. Das Dasein des indischen Bettelmönchs. Das Dasein des modernen Menschen. Es gibt übrigens mehr Emigranten, als man glaubt. Auch solche, die sich nie vom Fleck gerührt haben.“ (aus der Geschichte „Die Nacht von Lissabon“)

Geschichten über den Nationalsozialismus und die Kriegsflüchtlinge des Zweiten Weltkrieges lassen einen oft aufstöhnen, da sie uns an den Geschichtsunterricht von früher erinnern. Außerdem liegt all das bereits 80 Jahre zurück, wieso sich dann noch damit befassen? Was in der Vergangenheit liegt, kann als unwichtig für das Jetzt gesehen werden.

Aber genau diese Einstellung ist falsch. So vieles, was jetzt so meilenweit entfernt scheint, hat noch einen Einfluss bis heute und kann uns auch jetzt noch eine Lehre sein.
Meiner Meinung nach sollte man sich allerdings auch gerade jetzt noch damit befassen – das muss auch gar nicht in Form von dicken Wälzern über die deutsche Geschichte sein: Manchmal reicht auch nur ein einziger Roman.

Deutsche Geschichte in Fiktion

Erich Maria Remarque, der Autor vom bahnbrechenden Erster-Weltkriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“, erzählt in seinem Roman „Die Nacht von Lissabon“ von dem Schicksal eines deutschen Flüchtlings, der, verfolgt von den Nationalsozialisten, quer durch Europa irrt. Der Grund für seine Flucht – ob er Jude oder einfach als Regimegegner eingestuft ist – wird nicht klar, womit Remarque die Irrationalität, mit der die Nazis Leute als Verbrecher auserkoren haben, verdeutlicht.

Auf den ersten Seiten wirkt das Buch komplex und kryptisch. Doch diese Komplexität baut sich wie ein Gemälde des Pointilismus auf: zunächst sieht man nur Punkte, die keinen Sinn ergeben, aber betrachtet man das Gemälde aus einer entfernteren Perspektive (also liest man das Buch weiter), so beginnt es, einen Zusammenhang zu entwickeln. Das Schicksal des Kriegsemigranten wird Stück für Stück definiert, indem er es einem anderen Emigranten in einer Kneipe erzählt. Der Protagonist schildert seine Flucht über Frankreich, Spanien und Portugal, berichtet von der ständigen Gefahr, von der Gestapo geschnappt zu werden und von der desolaten Einsamkeit.

Kein Faktenroman


„Die Nacht von Lissabon“ ist ein Roman, der sich nicht nur auf die Nationalsozialisten als einzige Handlung konzentriert, sondern vielmehr auf die Fluchterfahrungen: Sehnsüchte, Wünsche und Ängste der Flüchtenden. Der Protagonist Schwarz erzählt vor allem viel von seiner zurückgelassenen Frau, deren Bruder für seine Denunziation gesorgt hat und von dem Wandel, den sein Leben genommen hat: Von einem Zuhause in Deutschland mit seiner Frau zu einem einzigen Albtraum aus Gefahr und Einsamkeit.

Geschichte anders begegnen

Wenn man sich näher mit den Erlebnissen aus der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigen möchte, ist es also nicht zwingend notwendig, reine Geschichtsliteratur zu wälzen. Erich Maria Remarque schreibt als Zeitzeuge zwar eine fiktive Geschichte. Was aber durchgehend im Roman deutlich wird, ist der bittere Geschmack eines Realitätsberichts, da all die Erfahrungen von einem Autor geschildert werden, der genau weiß, wovon er spricht.

Sich von der Vergangenheit abzuwenden und Gefahr zu laufen, dass sie in Vergessenheit gerät, können wir uns nicht erlauben. Damit möchte ich nicht sagen, dass wir nur in der Vergangenheit leben sollen – keineswegs. Die Zukunft und das Jetzt sind das, worauf es ankommt, doch „wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.“

Geschichte des Nationalsozialismus in moderner Musik: Stolpersteine

Stolpersteine

Auch der deutsche Rapper Trettmann scheint diese Auffassung zu teilen: Sein neues Lied „Stolpersteine“ befasst sich ebenfalls mit den Opfern des Antisemitismus und zeigt ganz klar die Verbindung zwischen der heutigen Zeit und der Vergangenheit, die sich durch „Stolpersteine“ bemerkbar macht.

„Steine aus Messing auf meinem Weg,
Beug mich nach vorn,
Hier wohnte ne Frau mit ‘nem Namen,
Les’ Zahlen,
Geboren in ‘n zwanziger Jahren,
Abgeschoben nach Polen,
Deportiert April,
Ermordet in den letzten Tagen“

Trettmann gedenkt in seinem Lied den Opfern der NS-Zeit und deutet auch an, dass diese nicht in Vergessenheit geraten sollen – insbesondere dann, wenn sich Fehler der Vergangenheit wiederholen könnten:

„Hier und jetzt,
Der Schoß noch fruchtbar,
Aus dem das kroch,
Fruchtbar noch,
Aus dem das kroch“

Egal ob die Vergangenheit in der Musik, in diesem Fall sogar in neuen Rap-Liedern, oder in der fiktiven Literatur aufgegriffen wird- was deutlich wird, ist Folgendes: Man darf sich ihr niemals ganz abwenden.

 

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